Wie riecht Freiheit?

Als ich heute morgen die kühle Winterluft roch, stiegen Erinnerungen auf. In meiner Kindheit und Jugend hatten wir große Eichen hinter dem Haus, überhaupt gab es im Umfeld viel Bäume und Wald, und ich habe die Gerüche noch in der Nase von Erde, Winterluft und Tannen. Ich glaube, ich hatte schon als Kind eine große Sehnsucht nach Freiheit, aber es waren schon damals sehr viele Hindernisse in meinem Leben, die ich oft nicht überwinden konnte.

Der Versuch, mich bewusst ins Leben zu stellen, endete mit den sexuellen Übergriffen, die ich erleiden musste. Sie ließen den inneren Schmerz so stark in den Vordergrund treten, dass ich zu einem starken Schmerzmittel griff. Ich begann zu trinken. Der Alkohol brachte Betäubung, Rausch und Hochgefühle.

Manche möchten den Begriff „Sucht“ romantisch mit „Suche“ in Verbindung bringen. Das Wort bedeutet aber ursprünglich „Krankheit“, was die verwandte Form „Siechen“ deutlich macht. Der Süchtige glaubt sich auf der Suche, ist aber in Wirklichkeit schwer krank und lebt im Siechtum, in einer Scheinwelt.

Nun bin ich fünfzehn Jahren trockenvom Alkohol und zehneinhalb Jahren trocken in der Sexsucht. Manchmal fühle ich mich so klein und ungeborgen wie in der Kindheit. Und gerade zur Zeit lösen Gerüche und andere Sinneseindrücke immer wieder Erinnerungen an Kindheits- und Jugenderlebnisse aus und manchmal fühle ich dann die Sehnsucht, die Bedürfnisse und Wünsche von damals. Und jetzt, jetzt! – ist es möglich! Ich muss nicht mehr den Abzweig zu den großen „Tröstern“ Alkohol und Lüsternheit nehmen, sondern kann mich wirklich auf die Suche nach meinem Weg machen. Was möchte ich tun? Was ist mir wichtig? Wie möchte ich wirksam sein? Welche Vorurteile muss ich über Bord werfen und was neu ausprobieren, um auf diesem Weg der Freiheit weiter fortzuschreiten? Und deshalb darf alles das sein, alle die Gerüche, die Orte und Erinnerungen, die Hoffnungen, das Mitgefühl mit allem Lebendigen – ich werde durch den Schmerz hindurchgehen und auf der anderen Seite des Schmerzes wird immer ein Tröster, die „Higher Power“ sein und mich bereits erwarten.

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