In den vergangenen Wochen hatte ich öfters Angst im Job. Die letzte Situation: Mir war ein Gespräch mit unserer Chefin angekündigt worden. Es sollte um ihre Vorstellungen in Bezug auf eines meiner Projekte gehen. Das Problem: Ihre Vorstellungen, soweit ich sie kannte, sind fachlich zum Teil nicht vernünftig umsetzbar. Sie kann aber eines nicht haben: Widerspruch oder Kritik an ihren Vorstellungen. Ich wusste, dass ich meine Punkte aus fachlichen Gründen würde ansprechen müssen. Mich überkam immer wieder Angst, wenn ich an das angekündigte Gespräch dachte. Außerdem lösen diese Situationen meine aus der Kindheit stammende, tief verwurzelte Angst vor Autoritätspersonen aus.
Als Werkzeug nutze ich zum einen die Stelle aus der Angstinventur, über die ich den ersten Teil dieses Beitrag geschrieben hatte. Und folgende weitere:
Ich sprach das Gelassenheitsgebet. Mein erster Sponsor hatte mir empfohlen, das Gelassenheitsgebet wie ein Mantra zu wiederholen, wenn ich in Angst oder Aufregung gerate (zu dieser Empfehlung siehe hier).
Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Dann fand ich bei unserem Gründer Bill W. einen weiteren „Mantra“-Text. Er schrieb: Wenn er unter starkem Druck steht und andere an dieser Anspannung beteiligt sind, wiederholt er immer wieder den Satz:
Gott, gebe mir die Gelassenheit, ihre besten Seiten zu lieben und ihre schlechtesten nicht zu fürchten.
Im Original: God grand me the serenity to love their best and never fear their worst.
Ich probierte es aus. Ich sprach diesen Satz und stellte mir die Chefin lächelnd vor und dachte an ihre Stärken (ich gebe zu, dass mir das sehr schwer fällt und ich dabei so „tun muss, als ob“).
Dann machte ich mir bewusst, dass es diese schlechten Seiten von ihr gibt (wie auch ich solche Seiten habe) und dass ich Angst vor diesen Eigenschaften bei ihr habe.
Dann sagte ich mir, dass ich sie nicht zu fürchten brauche:
- Ich darf ruhig und sachlich meine Position vertreten. Das ist meine Aufgabe.Wenn ich dem Weg folge, den ich im Programm kennengelernt habe, dann bin ich geschützt und geführt.
- Meine Höhere Macht ist bei mir. Sollte es schwierig werden, kann ich mich sogar während des Gesprächs ihr zuwenden. Sogar während ich spreche, kann ich innerlich einen Hilferuf „nach oben“ senden und die Situation loslassen und Gott überlassen. Ich kann sie nicht ändern. Ich muss nichts mehr kontrollieren.
- Ich vertraue darauf, dass Gott mir nie mehr auferlegt, als ich tragen kann. Ich werde durch die Situation durchgehen können. „Auch das geht vorüber.“
- Ich spreche vor und nach dem Gespräch mit Programmfreunden und im Meeting von meiner Angst und kann sie so loslassen. Ich bin nicht mehr allein! Ich habe die Freunde und ich habe meine Höhere Macht!
- Ich fragte meinen Sponsor um Rat, ob er Erfahrungen mit einer solchen Situation hat.
- Ich besprach mit einen vertrauenswürdigen Kollegen die fachliche Seite.
All dies verbinde ich mit dem Gebet von Bill W. Ich habe es morgens gesprochen und tagsüber zwischendurch wiederholt. So konnte ich die Angst soweit loslassen, dass es mir möglich war, in Erwartung des Gesprächs weiterzuarbeiten.
Hinweis: Das Gebet stammt aus dem Text „What Is Acceptance?“, den Bill im März 1962 in der internationalen AA-Zeitschrift Grapevine veröffentlicht hat. Er ist auf dieser Seite abrufbar.