Heute morgen wurde ich früh wach. Ich wollte so gerne noch etwas schlafen, konnte es aber nicht. Stattdessen mahlten in meinem Kopf Szenarien und Geschichten: Wie könnte sich das entwickeln, was könnte ich jenem schreiben, was könnte man hier tun… Von persönlichen Themen bis zur möglichen Lösung politischer Themen kam alles vor. Dann ging mir ein Satz durch den Kopf:
Be here now. Sei hier – jetzt.
Ich versuchte, loszulassen. Ich liege in meinem Bett. Ich atme. Ich bin in meinem Körper in diesem Raum. Statt Kopfkino, aufschreiben.
Die ständige gedankliche Beschäftigung hat mir so lange gedient. Als Jugendlicher konnte ich so dem Schmerz entfliehen. Als Erwachsener konnte ich mich großträumen, in Kontakt träumen, und so echte Entwicklung und Begegnung vermeiden. Denn als Kind hatte ich gelernt, dass es „da draußen“ bedrohlich ist. Die Phantasiewelt gab und gibt mir ein Gefühl von Kontrolle. Sie ist eine einzige Kontrollillusion.
Und die Sexsucht bot dann die „ganz große Lösung“. Der große Kick, das Wegtreten ohne die Notwendigkeit echter Begegnung und gleichzeitig wieder mit dem Gefühl umfassender Kontrolle.
Deshalb heute lieber üben: Be here now! Mich zurückholen aus der Fake-Welt und hinein in diese schöne, schmerzhafte, echte Welt.
Im Weißen Buch heißt es: „Die Phantasie verdarb die Realität. Die süchtige Begierde tötete die Liebe.“ Tatsächlich triggert auch ein Leben in einer nicht sexuellen Phantasiewelt die Sucht. Denn die Erinnerung an die überwältigende Wirkung der Bilder und des süchtigen Ausagierens ist tief verankert und jederzeit aufrufbar. Die scheinbar harmlose Flucht in die Phantasie triggert die Erinnerung an die „ganz große“ Flucht in die Lüsternheit.
Da ich den Schritt zurück in die Sucht nicht machen möchte, kann ich nur den Schritt in die Wirklichkeit machen. Dort ist dann auch die Anspannung. Aber auch die Liebe.