Sechs Empfehlungen für den Genesungsalltag (Teil 3)

Mein erster Sponsor (bei den Anonymen Alkoholikern) gab mir sechs Empfehlungen, die meinem Alltag einen „Genesungsrahmen“ gaben. In diesem Beitrag stelle ich die Empfehlungen vier und fünf vor.

(Hier geht’s zum ersten, und hier zum zweiten Teil des Beitrags.)

Zur vierten Empfehlung:

  • Dienst – Suche Dir zwei Stammgruppen; hilf dort mit (z.B. die Stühle aufzustellen, zu spülen etc.); rufe jeden Tag zwei Newcomer an.

Mein Sponsor sagte mir damals, dass ich alles Notwendige tun sollte, um an diesen zwei Stammmeetings tatsächlich regelmäßig teilzunehmen. Zum Glück gibt es in meiner Gegend viele Gruppen.

Tatsächlich ist die regelmäßige Meetingteilnahme ein Kernpunkt der Genesung. Sie gehört zu dem, was im Buch „Anonyme Sexaholiker“ als „Schritt Null“ bezeichnet wird:

„Wir nehmen an der Gemeinschaft des Programms teil“.

Auch hier konnnte AS auf die Erfahrung der Anonymen Alkoholiker aufbauen. In dem Buch „Zwölf Schritte und Zwölf Traditionen“ wird eindeutig festgestellt:

„Die meisten von uns könnten ohne Meetings nicht trocken bleiben.“

Anfangs, zu Beginn meiner Trockenheit bei den Anonymen Alkoholikern, ging ich fast täglich ins Meeting. Zum Glück gab es so viele erreichbare Gruppen. Daneben gehörte ich noch einem E-Mail-Meeting für Beginner an. Ich nutzte auch die Vor- und Nachmeetings, um unkompliziert und ohne Verabredung mit Programm-Freunden in Kontakt zu kommen. Ich fand Menschen, auf die ich mich verlassen konnte und ganz praktisch: Die Abende, an denen ich früher getrunken hätte, verbrachte ich nun gut aufgehoben in trockener Gemeinschaft.

Es kommt hinzu, dass mich das Programm mit den anderen verbindet. Ich fand eine Gruppe von Menschen, die versucht, ehrlich und hilfsbereit zu sein und ihr Leben auf eine tatkräftige, spirituelle Grundlage zu stellen: Das schafft eine Atmosphäre der Offenheit und ein Verbundenheitsgefühl sogar mit Menschen, die ich ich noch gar nicht kenne. So etwas habe ich zuvor und seitdem noch nirgendwo sonst erlebt.

Als dann die Anonymen Sexaholiker dazukamen, verlangte dieses neue Programm meine volle Aufmerksamkeit. Die Anonymen Alkoholiker traten in die zweite Reihe zurück.

Heute benötige ich zwei bis drei Meetings pro Woche, aufgeteilt auf meine verschiedenen Zwölf-Schritte-Gruppen, um mich wirklich wohlzufühlen. Ich experimentiere zur Zeit auch damit, ob ein Telefonmeeting für mich ein Präsenzmeeting ersetzen kann.

Es ist immer wieder faszinierend, wie klärend und erhebend Meetings wirken. Eines darf ich nie vergessen: Die wichtigste Person im Meeting ist der Neue. Er ist wahrscheinlich voller Verzweiflung und wagt vielleicht kaum zu hoffen, dass die Gruppe ihm helfen könnte. Ihm zu helfen, bei AS anzukommen, ihm Hoffnung geben zu können und dann, vielleicht, seine Genesung und Veränderung miterleben zu dürfen, dass ist ein sehr großes Geschenk! Neulich traf ich einen Freund aus einer anderen Stadt wieder, den ich längere Zeit nicht gesehen hatte. Als er zu AS kam, wirkte er so verschlossen, bedrückt und in sich selbst versponnen. Jetzt war er ein freundlicher, humorvoller und an den Menschenu und der Welt interessierter junger Mann geworden. Was für eine Veränderung! Das macht mir selbst wieder Mut, auf dem Weg zu bleiben, um weiter wachsen zu können.

Gerade fällt mir auf, dass ich über den Punkt „Dienst“, der die Empfehlung überschreibt, gar nichts geschrieben habe. Die Wahrheit ist: Auch wenn ich jeden Dienst, den es in den Gruppen gibt, irgendwann schon gemacht habe, habe ich zur Zeit keinen der „großen“ Dienste inne (Gruppensprecher, Kassierer, E-Mail-Dienst, Literaturdienst). Ich vergesse aber nicht den Satz: Dienst hält trocken. Auch in der Variante: Spülen hält trocken. Das geht immer: Tee vorbereiten, Tisch eindecken, spülen…

Die fünfte Empfehlung meines Sponsors lautete:

  • Bete für die Menschen, die Dich wütend machen/ aufregen (bete für ihr Glück und ihre Zufriedenheit).

Ganz am Anfang konnte und wollte ich nicht beten. Wie sich diese Bereitschaft dann doch entwickelte, habe ich bereits im ersten Teil dieser Beitragsserie beschrieben.

Schließlich versuchte ich es auch mit dieser Empfehlung. Wenn ich abends bei der Tagesrückschau merke, dass ich noch Groll gegen jemanden in mir habe, bete ich für diese Person. Ich gebe damit die Situation und die Person „an Gott ab“. Ich mache mir klar, dass er genau so ein „Mensch“ ist, wie ich. Ich lasse ihn und die Situation los.

Wenn es sich um einen Ärger handelt, der zu einem Resentment werden könnte, dann schreibe ich zuvor eine Inventur.

Hier geht es zum letzten Beitrag, zur sechsten Empfehlung

 

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