Im Jahr 2008 kam ich zum ersten Mal zu AS. Ich ging ungefähr ein Vierteljahr lang regelmäßig in die Meetings. Unmittelbarer Anlass war die Erfahrung des Kontrollverlustes über meinen Pornografiekonsum.
Ein paar Mal lud ich mir schon auf der Arbeit Pornographie auf das Handy und onanierte auf der Toilette. Ich baute nachts nach stundenlangem Konsum verzweifelt die DSL-Anlage ab, brachte sie in den Keller und schwor mir: „Nie wieder!“ Am nächsten Tag lief ich, kaum von der Arbeit zurück, in den Keller, um sie wieder zu montieren.
Ich kann mich heute nicht mehr erinnern, ob ich in diesen drei Monaten in der Sexsucht trocken wurde. Jedenfalls befriedigte ich mich irgendwann wieder selbst, weil mir Selbstbefriedigung als „unproblematisch“ erschien. Dieser Versuch, kontrolliert auszuagieren, endete natürlich wieder bei den alten Mustern, allerdings dauerte es viereinhalb Jahre, bis ich das Geschenk eines neuen Tiefpunktes bekam, der mich wieder zu AS und auf den Weg der Genesung brachte.
Wieso klappte es mit dem Konzept „Nur Selbstbefriedigung ohne Pornographie und die anderen Muster“ nicht? Das war so, weil die Selbstbefriedigung unauflösbar verbunden war mit dem meine ganze Persönlichkeit ergreifenden Problems der Sucht nach „Lüsternheit“. Die Selbstbefriedigung war von Anfang an verknüpft mit Pornographie und Phantasien. Sie war eingebettet in die Nutzung der Sexualität zum Zweck, wegzukommen, abzutauchen, zu fliehen und den Schmerz des Lebens nicht aushalten zu müssen. Ihn durch starke Reize vergessen zu können. Ohne den Kontext der Lüsternheit war die Selbstbefriedigung öder und leer und musste sofort wieder gewürzt werden. Sobald ich sie ausübte, aktivierte ich mein ganzes Suchtsystem, zu dem auch die Pornographie, die lüsternen Blicke, sexuelle Phantasien und so weiter dazu gehörten. Mir wurde klar: Wenn ich diese Sachen lassen wollte, dürfte ich auch nicht mehr onanieren. Deshalb nahm ich bei meinem Neustart bei AS viereinhalb Jahre später schließlich auch die Trockenheitsdefinition der Gemeinschaft an, die lautet: „`Kein Sex mit mir selbst oder anderen außer dem Ehepartner.“‚
Die AS sind nicht gegen Selbstbefriedigung, genauso wie die AA nicht gegen Alkohol sind. Sondern sie wissen, dass sie als Süchtige keine Form des Ausagierens mehr vertragen. Auch dem wirklichen Alkoholiker hilft es nicht, statt Schnaps Bier zu trinken. Er wird sich wieder besaufen. Wie der Sexsüchtige auch. Mir wurde klar, dass ich, wenn ich trocken bleiben wollte, den Suchtkreislauf nicht wieder in Gang setzen dürfte. Er tritt aber wieder in Gang, wenn ich die mit Lüsternheit aufgeladene und angetriebene Selbstbefriedigung praktiziere. Denn bei mir als Süchtigem verlangt Lüsternheit nach mehr Lüsternheit. Die Sucht redet mir ein, ich würde frei von dem Druck, wenn ich ihm folge und zum Beispiel onaniere. In Wirklichkeit füttere ich dadurch aber die Sucht und der Druck kommt nach immer kürzerer Zeit immer stärker zurück. Er steigert sich und verlangt nach mehr und mehr und mehr, bis die Sucht der „Chef“ ist. Mit Hilfe der AS konnte ich diesem Chef kündigen und diesen Job verlassen.