Ich gebe mein Recht auf…

Es gibt ja den schönen Spruch, dass das AS-Programm ein einfaches Programm für komplizierte Leute ist. Besonders in schwierigen Situation brauche ich griffige Slogans oder Sätze, die mir helfen, wieder „in die Spur“ zu kommen. Ein Beispiel:

Ich fahre mit der Straßenbahn, eine Frau steigt ein. Ich sehe hin (hier beginnt das Problem: Warum eigentlich? Was ist das Motiv für den Blick?). Und da es für diesen Blick kein vernünftiges Motiv gab – war Lüsternheit das Motiv. In diesem Moment wird mir auch bewusst: Ich möchte nicht lüstern sein. Ich möchte in meinem Frieden bleiben. Aber der Sog hat schon begonnen. An so einer Stelle brauche ich ein einfach anzuwendendes und schnell wirkendes Mittel. Einen Spruch, ein Stoßgebet, zum Beispiel:

Gott, bitte hilf mir! Ich gebe mein Recht auf, diese Frau lüstern zu begehren.

Dann kann ich loslassen. Ich setzte gegen das „Ziehen“ der Lüsternheit keine Gegenkraft ein, sondern ich steige aus. (Notfalls auch aus der Straßenbahn:-) Nicht kämpfen! Die Lüsternheit würde gewinnen. Ich kann nur gewinnen, wenn ich gar nicht erst kämpfe, sondern loslasse, kapituliere.

Gegen den Satz könnte man natürlich einwenden, dass ich doch gar kein Recht darauf habe, die Frau zu begehren. Aber der lüsterne Blick ist gerade ein Blick der Inbesitznahme. Als hätte ich dieses Recht. Der einfache Satz macht klar: Ich nehme dieses Recht, das ich sowieso nicht habe, auch nicht mehr in Anspruch. Es hat mir so viel Unglück gebracht, dieses „Recht“! Ich gebe es auf – der Frieden kehrt zurück.

Heute habe ich in einem Gespräch bemerkt, dass der Satz in abgewandelter Form auch in anderen Situationen passt. Wenn ich zum Beispiel den inneren Druck habe, eine Situation kontrollieren zu wollen.

Gott, ich gebe den Anspruch an mich auf, es kontrollieren zu wollen.

Wichtig ist, dass es ein wirkliches Loslassen ist, nicht bloße Resignation. Denn, wie es einer meiner Lieblingsautoren, Hans Glaser, ausdrückt:

Die Resignation ist die latente Begierde. Begierden werden sofort wieder aktuell, sobald eine entsprechende Situation eintritt. Man resigniert aus einer Unfreiheit. Verzicht aber ist ein Akt der Freiheit…

Freiheit! Ich darf die Welt aus meiner lüsternen und ängstlichen Umklammerung entlassen. (Ich hatte sie sowieso nie im Griff! Völlige Selbstüberschätzung!) Ich darf wachsen und gesund werden. Einen Tag nach dem anderen.

 

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