Über Sponsorschaft und Clowns im gleichen Bus

Während in dem 1939 veröffentlichten Blauen Buch das Wort Sponsor noch nicht auftaucht, wird es in dem 1953 erschienen Buch Zwölf Schritte und Zwölf Traditionen schon wie selbstverständlich verwendet. Tatsächlich hatte die Anonymen Alkoholiker zwischenzeitlich die Wirksamkeit der Sponsorschaft entdeckt, wenn es darum ging, Neuen den Start in die Trockenheit zu erleichtern und ihnen zu einer Verankerung im Zwölf-Schritte-Programm zu verhelfen.

Heute ist Sponsorschaft einer der wesentlichsten Bestandteile des Programms. Man kann die Schritte nicht alleine gehen. Man braucht dafür einen Wegbegleiter. (Mehr über Sponsorschaft auch hier und hier oder allgemein hier.)

Also, was genau ist denn dieser Sponsor und was bedeutet Sponsorschaft? Es gibt sicher unterschiedliche Möglichkeiten, dies zu beschreiben und die Anonymen Alkoholiker haben dazu auch eine eigene Broschüre (englischsprachig) herausgebracht. Wenn ich meine eigene Erfahrung zugrundelege, sowohl als Sponsee – so heißt derjenige, der gesponsert wird – als auch als Sponsor – derjenige, der sponsert -, so würde ich Sponsorschaft wie folgt beschreiben:

Ein Sponsor hilft einem Neuen bei seinem Start in die Trockenheit und begleitet ihn bei der Arbeit der Zwölf Schritte. Sponsorschaft ist immer kostenlos und von beiden Seiten absolut freiwillig. Der Sponsor bietet sie an, weil sie ihm bei seiner Genesung und seinem inneren Wachstum hilft. Der Sponsee läßt sich sponsoren, weil er trocken bleiben möchte. Voraussetzungen gibt es nur wenige: Der Sponsor muss eine stabile Trockenheit und auch schon einige Fortschritte im Zwölf-Schritte-Programm gemacht haben. Er muss selber einen Sponsor haben. Außerdem sponsoren in aller Regel Männer Männer und Frauen Frauen. Der Sponsee muss den Wunsch nach sexueller Trockenheit haben und dem Sponsor gegenüber ehrlich von sich berichten.

Das Besondere ist, dass der Sponsee dem Sponsor die Erlaubnis gibt, ihm zu sagen, was er beim ihm sieht. Wenn zum Beispiel der Sponsee Verhaltensweisen zeigt, die eine Rückfallgefahr bedeuten, darf der Sponsor ihn darauf aufmerksam machen. Er muss es sogar, denn zur Aufgabe des Sponsors gehört es, ehrlich zu sein, auch wenn der Sponsee vielleicht mit Ablehnung reagiert und den Sponsor feuert. Denn wer sich zum Babysitter für die Sauftouren des Sponsees macht, wirkt nicht an dessen Genesung, sondern eher an dessen Untergang mit.

Dabei ist eines ganz wichtig: Auch wenn Sponsorschaft manchmal den Charakter eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses hat, ist sie kein Über- und Unterordnungsverhältnis. Der Eine ist nicht besser als der Andere, sondern wir sind beide Kranke, die gesund werden wollen.

Wir sind beide Clowns im selben Bus.

Nur dass der eine Clown, der Sponsor, schon länger im Bus sitzt (das heißt, stabiler trocken und etwas erfahrener darin ist, wie man mit dem Programm im Alltag leben kann).

Ich selber habe zwei Anläufe gebraucht, bis ich unter den Programm-Freunden meinen jetzigen Sponsor gefunden habe, der mich jetzt seit Ende 2012 begleitet. Sponsorschaft ist keine Ehe. Wenn sie nicht funktioniert oder ich mir von jemandem Anderen eine bessere Unterstützung erhoffe, dann wechsele ich den Sponsor. Meinem ersten Sponsor bin ich unendlich dankbar. Er hat genau die Worte gefunden, die mir den Einstieg bei den Anonymen Sexaholikern (AS) ermöglicht haben. Er hat in unserem ersten Gespräch den Funken Hoffnung in mir entzünden können, dass es sich lohnen könnte, nach den Prinzipien von AS trocken zu werden. Die anschließende Zusammenarbeit funktionierte aber nicht gut, wir stritten uns sogar und ich entschied mich, mir einen anderen Sponsor zu suchen. Der nächste Sponsor hatte nach wenigen Wochen keine Zeit mehr und bat mich, mir einen neuen Sponsor zu suchen. Dann geschah das, was ich so oft erlebt habe im Programm. Über eine unglaubliche Verkettung von Zufällen fand ich genau den Sponsor, den ich brauchte.

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