How-To…? Schrittearbeit: Schritt 1, als Sponsor mit Neuen und in der Trockenheit

1) Ein Hinweis an Neue

Ein Hinweis an Leser, die an AS interessiert sind, aber noch in keinem Meeting waren oder keinen Sponsor haben:

Versuchen Sie die Schrittearbeit nicht auf eigene Faust. Ich hatte das zunächst gemacht und bei mir hat es nicht funktioniert. Sie könnten überwältigt werden von Scham, Trauer, Selbsthass und Selbstmitleid. Das würde Sie nur tiefer in die Sucht treiben. Wenn Sie diese Internetseite anspricht, dann nehmen Sie Kontakt zu den Anonymen Sexaholikern auf und gehen Sie in ein Meeting. Sie können dies absolut anonym tun und sind in den geschlossenen Meetings sicher und geschützt. Dort können Sie von den Geschichten der anderen lernen und, wenn Sie möchten, selber mit Unterstützung eines Sponsors die Schritte arbeiten.

Ein Sponsor ist ein trockener Sexsüchtiger, der bereits eine gewisse Gesundung erfahren hat und der Sie mit seiner Erfahrung dabei unterstützt, selber auf den Weg der Genesung zu kommen – und dort auch zu bleiben! Sponsorschaft kostet nichts und ist stets und zu jeder Zeit freiwillig. Der Sponsor unterstützt andere Betroffene, weil es ihm selber dabei hilft, trocken zu bleiben.

2) Schritt 1 als Sponsor mit Neuen

Wenn ein Newcomer mit der Schrittearbeit beginnt, gebe ich ihm zunächst einige Basis-Texte und erläutere ihm die Werkzeuge, die für Neue besonders wichtig sind (siehe die Howto-Rubrik „Basis-Texte und Werkzeuge, besonders für Neue“).

Dann empfehle ich ihm Folgendes:

Lies folgende Texte:

  • Aus dem Buch „Anonyme Alkoholiker“ die Vorworte, „Aus der Sicht des Arztes“ und die Kapitel 1 bis 4
  • Aus dem Buch „Zwölf Schritte und Zwölf Traditionen“ den Vorspann und Schritt 1
  • Aus dem Buch „Anonyme Sexaholiker“ in Teil II den Abschnitt „Überwindung von Lüsternheit und Versuchung“; später dann Teil I „Das Problem“
  • Außerdem gebe ich dem Sponsee den Text des AS-Flyers zur Inventur im ersten Schritt.

Nachdem der Neue mindestens vier Wochen trocken geblieben ist, bitte ich ihn, Fragen zu beantworten, die ihm helfen, die Aussichtslosigkeit seiner Situation zu erkennen. Oft glaubt ein Newcomer noch, seine Sucht „eigentlich“ kontrollieren zu können. Solange das so ist, wird er in der Regel nicht die erforderliche Bereitschaft aufbringen, die Trockenheit an die erste Stelle zu setzen. Nur dann kann er aber trocken bleiben.

Arbeitsblatt:

Für die Erste-Schritt-Inventur verwende ich auch folgenden Text/ folgendes Arbeitsblatt (Quelle für die folgenden Absätze bis zu der gestrichelten Linie: „AS, Sponsorschaft-per-Post-Programm für Strafgefangene“, von mir modifiziert):

Schritt 1 lautet:

Wir gaben zu, dass wir der Lüsternheit gegenüber machtlos waren – und unser Leben nicht mehr meistern konnten.

In diesem Schritt werde ich mir ohne jeden Zweifel absolut klar darüber, dass ich ein Sexaholiker bin (der Lüsternheit gegenüber machtlos), und dass mein Leben ein totales Durcheinander ist (nicht mehr zu meistern). Ich werde erkennen, dass ich viel zu viel Zeit damit verbringe, über Sex nachzudenken (Besessenheit), und dass ich nicht mehr dazu in der Lage bin, mein sexuelles Verhalten zu kontrollieren (Zwang). Ich werde die wesentlichen Punkte meiner Geschichte in zwei Teilen aufschreiben:

a) Ich bin der Lüsternheit gegenüber machtlos. (Hierzu gehören beispielsweise: früheste Erfahrungen, Selbstbefriedigung, Magazine, Filme, Fetische, Sexshops, Telefonsex, Online-Kontakte, Beziehungen zu Frauen, Männern etc.)

– bitte aufschreiben –

b) Mein Leben ist nicht mehr zu meistern. (Hierzu gehören beispielsweise: Auswirkungen auf Eltern, Ehepartner, Kinder, Ehescheidung, Freunde, Finanzen, Arbeit, Verhaftungen, Vorstrafen etc.)

– bitte aufschreiben –

(Ende des Arbeitsblatts)

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Manchen Neuen erscheint es zunächst unvorstellbar, diese Dinge einem anderen Menschen anzuvertrauen. Ich kann nur Mut dazu machen. Die eigene Geschichte zu erzählen ist der erste Schritt dazu, dass sie Vergangenheit werden kann. Es ist vor allem auch der wichtige erste Schritt dahin, die Scham loszulassen und sich auf den Genesungsweg zu begeben (zum zentralen Thema „Scham“ siehe diese Blogbeiträge).

Es gibt auch noch andere hilfreiche Fragen. Außerdem hat AS das Schrittearbeitsbuch „Step into Action – Die Zwölf Schritte in der täglichen Praxis“, mit dem viele AS-Freunde die Schritte arbeiten. Es enthält Erfahrungen, Ideen, Fragen zum Nachdenken und Vorschläge zur Umsetzung der Schritte.

3) Schritt 1 in der Trockenheit

Wie mit allen Schritte, war ich auch mit Schritt 1 nicht „fertig“, nachdem ich ihn einmal gearbeitet hatte. Schritt 12 spricht davon, dass wir versuchen, die zwölf Schritte in allen unseren Angelegenheiten anzuwenden. Das heißt, ich arbeite sie einmal gründlich durch. Danach gehen sie in den „Dauerbetrieb“.

Nach einer gewissen Zeit der Trockenheit kann Leichtsinn aufkommen. Vielleicht schleicht sich die (Wahn-) Vorstellung ein, die Lüsternheit doch ein bisschen kontrollieren zu können. Hier mal lüstern hinschauen. Da mal eine Phantasie zulassen. Dort darüber sinnieren, dass xy ja wirklich gut aussieht…

Diese Versuche, kontrolliert zu trinken, enden bei wirklich Süchtigen im Rückfall, denn ich bleibe der Lüsternheit gegenüber machtlos, auch wenn ich mir vielleicht eine Zeitlang etwas anderes vormachen kann. Deshalb gibt es keinen anderen Weg, als den Schritt 1 täglich „neu zu gehen“. Ein Werkzeug hierzu kann eine tägliche Erneuerung oder ein Programm-Telefonat sein.

Eine weitere Möglichkeit ist ein jährlicher Durchgang durch das Programm. So kann ich im Januar die Texte oben zum ersten Schritt erneut lesen und mich dabei fragen:

  • Wo stehe ich in Bezug auf den ersten Schritt?
  • Habe ich Geheimnisse in Bezug auf Lüsternheit? Bewege ich mich vielleicht schon auf der Grenze zum Rückfall und mache mir und anderen etwas vor?
    – Konkret: Was sind meine „versteckten Flaschen“? Wann „trinke“ ich heimlich? Zum Beispiel: Schaue ich im Internet auf triggernde Bilder? Wann? Auf welche? Schaue ich abends in das erleuchtete Schlafzimmer der Nachbarn? „Trinke“ ich Arbeitskolleginnen „in mich hinein“ bei Besprechungen oder beim Mittagessen? Werfe ich als Autofahrer lüsterne Blicke auf Andere?
    – Schreibe alles ehrlich auf und teile es mit Deinem Sponsor.
  • Was tue ich, wenn ich „lüstern getrunken“ habe? Teile ich darüber? Lasse ich es anschließend los? Oder lege ich mir ein heimliches inneres Fotoalbum oder eine innere Videothek an?
  • Habe ich weiter den Wunsch, trocken und nüchtern zu bleiben? Gibt es etwas, was ich dafür tun muss, z.B.
    – eine aktuelle Erste-Schritt-Inventur teilen,
    – öfter ins Meeting gehen,
    – regelmäßiger Kontakt zu meinem Sponsor haben,
    – selber sponsoren,
    – mich mehr bei AS einbringen („Dienst hält trocken“).

Es geht nicht um gute Vorsätze, sondern um Handlungen der Genesung! Tue das Richtige, die richtigen Gedanken und Gefühle folgen dem richtigen Handeln!

Ich musste mich im Laufe meiner Trockenheit auch immer mal wieder neu auf das Programm ausrichten. Tatsächlich kann ich mich heute zwar noch gut an den „Kick“ erinnern, den das lüsterne Ausagieren brachte, aber viel weniger an den Schmerz und das Leid. Deshalb ist es so wichtig für mich, die Erinnerung wach zu halten und auch den ersten Schritt lebendig zu halten!

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