Wie oft habe ich versucht, meine Sucht zu kontrollieren? Seltener, anders oder kürzer auszuagieren? Beispiele meiner Kontrollversuche, Dinge, die ich mir vorgenommen hatte:
- Längstens zehn Minuten Pornographie schauen und mich schnell selbstbefriedigen.
- Mir nur schöne Bilder anzuschauen mit Frauen, die mindestens einen Bikini anhaben
- Nicht mehr zum Straßenstrich zu fahren.
- Nur noch kostenlose Internetseiten aufzurufen, weil ich für soetwas kein Geld mehr ausgeben will.
- Nur noch gezielt kostenpflichtige Seiten nutzen, weil ich dann nicht mehr so viel Zeit mit dem Suchen verbringen muss.
- Es gab auch noch das Ziel, wenigstens mein „Ansehen“ zu retten. Ich fasste zum Beispiel den Vorsatz, wenigstens nicht mehr in der Stadt, in der ich wohne, ins Sexkino oder ein Laufhaus zu gehen. Oder jedenfalls nicht mehr in Bahnhofsnähe, wo mich die Kollegen sehen könnten, die auf dem Weg nach Hause sind.
- Schließlich verkaufte ich sogar mein Auto, weil ich dann nicht mehr zum Straßenstrich fahren könnte. Natürlich führte dies nicht zu mehr Kontrolle, sondern nur zu einer Verlagerung des Ausagierens in den nicht-motorisierten Bereich.
Hinter alledem stand der trügerische Irrsinn des ersten Glases. Das Denken macht dem Süchtigen immer wieder neu vor, „diesmal“ würde es anders laufen. Er müsse nur dieses oder jenes anders machen oder sich mental anders einstimmen.
Wenn der Sexsüchtige das erste Glas trinkt, dann tritt das süchtige Verlangen (engl. craving) ein und übernimmt die Kontrolle. Es ist körperlich verankert und kann durch keine noch so gute mentale oder spirituelle Verfassung des Süchtigen kontrolliert werden. Beginnt dann das Ausagieren, ob in Form von Selbstbefriedigung oder auch in Gestalt der Fahrt zum Straßenstrich, ist die Kontrolle bereits verloren, auch wenn der Sexsüchtige noch glaubt, es käme „jetzt“ darauf an, auf Art, Zeitraum oder Maß des Ausagierens aufzupassen. Es käme zwar darauf an; dem Sexsüchtigen ist aber genau diese Art von Selbstkontrolle nicht mehr möglich, wenn er die „Sauftour“ mit dem ersten Glas erst einmal in Gang gesetzt hat.
Daher hilft dem Betroffenen nach der Erfahrung der Anonymen Sexaholiker nur völlige Abstinenz und zwar Abstinenz von der inneren Haltung und dem inneren Prozess, der dann das Ausagieren in Gang setzt. Diese innere Haltung oder Stimmung nennt AS „Lüsternheit“. Die Lüsternheit ist das erste Glas. Das anschließende Ausagieren ist das Besäufnis. Seine Kontrolle ist eine Illusion.
Daher ist der Gedanke, „diesmal“ etwas anders zu machen, an sich schon der trügerische Irrsinn des ersten Glases. Die Anonymen Alkoholiker haben dafür einige Slogans:
- Ein Glas ist zu viel und tausend sind nicht genug.
- Wenn du unter den Zug kommst, überfährt dich die Lok und nicht erst der letzte Wagen.
Deshalb ist das Allerwichtigste:
- Lass` das erste Glas stehen.
Als Sexsüchtiger ist die entscheidende Frage: Was ist mein erstes Glas? Bin ich bereit, es zu sehen und zuzugeben? Bin ich bereit, es loszulassen? Sonst keine Hoffnung auf andauernde Trockenheit. Denn der Irrsinn des ersten Glases wird wieder zur Sauftour führen.