Bekommen und Geben

Ein Sponsee sagte einmal zu mir, dass er einem Programm-Freund ein Problem erzählt hat und der ihm einen Lösungsvorschlag gemacht hat. „Wieso bin ich da nicht selber drauf gekommen? Ich weiß das doch eigentlich. Statt dessen musste ich ihm die Zeit stehlen.“

Ich sagte zu ihm: „Sieh es doch mal anders: Du hast dem Freund die Möglichkeit gegeben, dir zu helfen. Es ist so wichtig, anderen helfen zu können. Stell‘ dir mal vor, jeder, dem du deine Erfahrungen mitteilst oder helfen möchtest, würde dir antworten: ‚Weiß ich doch längst.‘ ‚Danke, aber das ist mir schon klar.‘ ‚Ich brauche deine Hilfe nicht, vielen Dank.‘ Stell‘ dir vor, du könntest niemals jemandem helfen. Das wäre doch schrecklich! Ich möchte doch schließlich anderen etwas geben. Vielleicht ist es ganz am Ende sogar wichtiger, geben zu dürfen, als zu bekommen.“

Als ich noch so extrem bedürftig war, sehnte ich mich vor allem danach, zu bekommen: zum Beispiel Anerkennung und Aufmerksamkeit. Ich dachte, dann würde sich mein Leben entscheidend verbessern.

Heute erlebe ich immer wieder, wie wichtig es ist, auch geben zu können:

  • Jemandem eine Freude zu machen;
  • jemandem zu helfen;
  • jemandem zuzuhören und zu spüren, dass es ihm danach besser geht;
  • Erfahrungen weitergeben zu können, die dem anderen helfen.

„Geben ist seliger denn nehmen“, ist deshalb nicht in erster Linie ein moralischer Appell, sondern eine Erfahrung. Deshalb war ich in meiner Suchtzeit so einsam, so wenig in der Seligkeit, als ich nicht geben konnte, weil meine Süchtigkeit mich bestimmte: Ich musste nehmen, fordern, kämpfen und in meiner (Verlassenheits-) Angst leben.

Heute kann ich auch geben und nützlich sein für andere. Das gibt mir Seligkeit (ein tiefes Glücksgefühl).

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