Aufhören, zu kämpfen: Die eigenen Grenzen friedlich und klar benennen

Anfang der Woche hatte ich einen Wutanfall. Anschließend habe ich mich dafür geschämt und mich gefragt, warum ich diese Wut nicht kontrollieren kann.

Vor dem Wutausbruch ging es darum, dass man vielleicht beruflich etwas von mir verlangen würde, was ich nicht liefern kann und möchte. Es war also Angst im Spiel. Diese tiefe Angst: Jemand will etwas von mir, ich möchte es nicht, bin der Person aber ausgeliefert und ihr gegenüber machtlos. Dazu die Angst, schlecht dazustehen, Erwartungen nicht zu erfüllen, die Angst, dass man mich für schwach und dumm halten könnte.

Wenn ich mir das anschaue, kann ich es sehen: In diesem Gefühl, jemandem machtlos ausgeliefert zu sein, lebte ich sowohl in der Gewaltzeit in der Grundschule, als auch bei dem sexuellen Übergriff. Damals konnte ich mich nicht wehren. Heute neige ich dazu, in solchen emotionalen Situationen Rot zu sehen. Ich bin in einer Kindheits- und Jugend-Angst-Reaktion gefangen.

Ein Gespräch mit meinem Sponsor brachte mir einen Realitätscheck im Hinblick auf die Situation, die die Reaktion ausgelöst hat:

Zum einen bin ich gar nicht in dem Umfang verantwortlich, in dem ich mich in der Verantwortung fühle (wenn ich mich für Situationen verantwortlich fühle, hängt das auch mit meinem Kontrollieren-Wollen zusammen: Bin ich dafür verantwortlich, kann ich es auch kontrollieren. Besser ich mache es, als ein anderer, den ich nicht kontrollieren kann. Ein anderer Aspekt ist das „Gefallen-“ und „Gemocht-Werden-Wollen“.)

Zum anderen fand ich in dem Gespräch mit meinem Sponsor heraus, dass es auch in dieser Situation mehr als eine Option gibt. Es dauerte über eine Stunde, bis ich durch seine freundlichen hartnäckigen Fragen eine Handlungsoption fand, etwas, was ich tun kann.

Der Schlüsselsatz von ihm war:

Mein Gefühl sagt mir, dass Grenzen etwas Festes sind, an das ich anstoße. Und dass ich sie verteidigen oder überwinden muss. Dann gerate ich in Spannung und kämpfe. Manchmal reicht es aber einfach aus, dem anderen eine Grenze zu benennen.

Das brachte mich zur Lösung. Ich kann erst einmal meine Grenze benennen und zum Beispiel sagen: „Das kann ich leider nicht tun, weil…“

Damit kann ich in meinem Verantwortungsbereich und auf meiner Straßenseite bleiben ohne „in den Krieg ziehen“ zu müssen.

Schließlich hatte sogar mein direkter Vorgesetzter schon gesagt, dass er das Geforderte für falsch hält. Über diese Tatsache sagte ich zu meinem Sponsor: „Ich willl mich doch nicht hinter meinem Chef verstecken.“

Er sagte: „Wieso wäre das ein Verstecken? Er ist dein Chef!“

Da wurde mir etwas bewusst. Ja – ich bin nicht für alles verantwortlich. Ich muss nicht mehr alles kontrollieren (auch nicht meinen Vorgesetzten). Ich darf mich um mich und um meine Grenzen kümmern, statt mich mit den Anderen und ihren Angelegenheiten zu beschäftigen.

So werde ich es machen. Vielleicht kann ich mir, wenn sich das nächste innere „Rot“ ankündigt, mir selbst Mut machen: Ich kann heute Grenzen benennen.

Und die Höhere Macht, Gott, wie ich Ihn verstehe, wird bei mir sein. Ich brauche nicht mehr zu kämpfen.

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