Gestern und heute war ich angespannt. Warum? Hätte ich etwas mit jemandem besprechen müssen? Schleppe ich etwas mit mir herum? Bin ich zu sehr aus dem Rhythmus am Wochenende?
Ich richtete meinen Ärger gegen Umstände in meiner Umgebung…
Dann saß ich eben auf dem Bett und erinnerte mich an einen Autor, der mir ein wichtiger Lehrer neben der Literatur von AA und AS ist: Anthony de Mello.
In seinem Buch „Awareness“ (deutsch: „Der springende Punkt“) schreibt er von einer Frau, die ihm eine berufliche Situation beschreibt, die so stressig war, dass es ihr außerordentlich schwer gefallen sei, gelassen und ruhig zu bleiben. Ebenso gehe es ihr beim Autofahren.
Sie fragte mich, ob sich diese Unruhe legen würde, und sie den inneren Frieden erreichen könne.
Bemerken Sie hier die Abhängigkeit? Frieden. Ihre Abhängigkeit von Ruhe und Frieden. Sie sagte: `Solange ich nicht den inneren Frieden habe, werde ich nicht glücklich sein.´ Sind Sie schon einmal auf den Gedanken gekommen, dass Sie auch bei aller Anspannung glücklich sein können? Vor der Erleuchtung war ich frustriert, nach der Erleuchtung bin ich immer noch frustriert.
Anthony de Mello, Der springende Punkt, S. 172 f. (Achtung: De Mello ist ein wirklich humorvoller Mensch. Bitte dies beim letzten Satz des Zitats mitlesen.)
Im englischen Original ist es noch deutlicher, worauf er hinaus will, denn de Mello verwendet dort, wo bei der Übersetzung das Wort „Abhängigkeit“ gewählt wurde, den Begriff „attachment“. Das bedeutet in diesem Zusammenhang Anhaftung, etwas festhalten, sich an etwas klammern.
Her attachment to peace and calm. She was saying, „Unless I am peaceful, I won`t be happy.“ Did it ever occur to you that you could be happy in tension?“
(Awareness, Chapter „Hidden Agendas“).
Das war es! Ich habe eine Bedingung an mein Leben gestellt, die hieß: Ich werde erst glücklich sein, wenn die Spannung weg ist. Wenn ich weiß, was gerade mit mir los ist. De Mello:
Ist Dir je in den Sinn gekommen, dass Du auch in der Anspannung glücklich sein kannst?
Ja! Jetzt weiß ich es wieder! Danke sehr! Die Anspannung ist nicht gut oder schlecht, sie ist einfach da. Ich identifiziere mich nicht mehr mit ihr. Ich lasse los und beobachte. Die Wolken ziehen weiter.
In den Worten von „Zwölf Schritte und Zwölf Traditionen“:
Die Haupttriebkraft unserer Charakterfehler war egoistische Furcht; vorrangig die Furcht, etwas zu verlieren, was wir bereits besaßen, oder etwas nicht zu bekommen, was wir uns wünschten. Wir lebten mit unerfüllbaren Forderungen. Wir waren dadurch in einem Zustand ständiger Verwirrung und Enttäuschung. Darum konnten wir keinen Frieden finden, ehe wir nicht den Weg entdeckt hatten, diese Forderungen abzubauen. Der Unterschied zwischen einer Forderung und einem einfachen Wunsch ist jedem klar.
Zwölf Schritte und Zwölf Traditionen, S. 71 (leicht verändert)
Seitdem ich mich mit diesen Textstellen beschäftige, geht es mir schon viel besser. Ich konnte sogar schon wieder über mich lachen. Vielen Dank dafür!